Ayurvedische Diagnose Methoden

Wie bewerte ich die Unterschiede zwischen ayurvedischen und modernen Untersuchungs- bzw. Diagnosemethoden.

Wer von uns war noch nie in einer ärztlichen Behandlung und kam sich irgendwie abgespeist vor? Da sitzt du mit deinem Problem vor dem Arzt und der weiss schon was Sache ist bevor du überhaupt angefangen hast zu sprechen, und ehe du dich versiehst stehst du schon wieder draussen mit einem Rezept für irgendwelche Medikamente.

Wünschst du dir nicht auch, dass dein Arzt des Vertrauens dir einfach zuhört und ausführlich alles hinterfragt woher die Symptome oder Anzeichen kommen könnten? Dass er sich Zeit nimmt um auch einen Blick in deine Psyche zu werfen und nicht nur aufs Röntgenbild?

Diese Abhandlung zeigt unter anderem, warum es in der ayurvedischen Diagnosemethode so wichtig ist, sich viel Zeit für seinen Patienten zu nehmen und eine genaue, ganzheitliche Anamnese zu erstellen.

Die Diagnose im Ayurveda

In der klassischen Medizin steht die Diagnose als Mittel zur Erkennung einer Krankheit. Die Diagnose kann verschiedenste Massnahmen beinhalten wie die Untersuchung mit Apparaten, Anamnese, Laboruntersuchungen von Geweben, Urin oder Stuhl. Zentral ist aber, dass die Diagnose erst erstellt wird, wenn schon ein Problem vorhanden ist. Denn, solange sich ein Patient nicht krank fühlt oder sonstige schwerwiegende Symptome zeigt, gibt es in der klassischen Medizin keinen Grund um eine Diagnose erstellen zu müssen.

Im Ayurveda ist es natürlich nicht anders, dass eine ideale Diagnose auf einer ausführlichen Anamnese beruht. Der Kern dieser Anamnese beruht aber auf Zuhören, Verstehen und auch Einfühlen können. Denn die Symptome sind ja meist schon klar, aber nicht deren genaue Ursache.

Auch kann im Ayurveda auch schon eine Diagnose erstellt werden, ohne dass es dafür schon ein klar sichtbares Symptom vorhanden sein muss. Denn durch verschiedenste Diagnosetechniken können auch schon ganz leichte Symptome (Veränderungen in unserem natürlichen Gleichgewicht „Prakriti“) festgestellt werden bevor der Krankheitsbeginn entsteht.

„Die Diagnose ist die bewertende Zusammenfassung der Erkenntnisse über die Symptome einer Krankheit und die systematische Benennung der Erkrankung.“
(flexikon.doccheck.com)

Patient + Krankheit

Im Ayurveda wird die Diagnose des Patienten (Rogi) und die der Krankheit (Roga), separat von einander untersucht. Ein wichtiger Aspekt besteht darin, heraus zu finden wie stark der Patient ist und wie stark die Krankheit ist.

Für die Diagnose des Patienten gibt es 3 verschiedene Untersuchungsmöglichkeiten (pariksa):

  • Die 3-fältige Untersuchung (tri-vidha). Diese beinhaltet: 1. Die direkte Wahrnehmung (pratyaksa), 2. Logische Schlussfolgerungen (anumana), 3. Vorwissen (aptopadesa)

  • Die 6-fältige Untersuchung (sad-vidha). Diese beinhaltet: 1. Die Anamnese (prasna), 2. Die ausführlichen Wahrnehmungen wie das Sehen (darsana), 3. das Tasten (sparsana), 4. das Hören (sravana), 5. das Riechen (ghrana) und 6. das Schmecken (rasana).

  • Die 8-fältige Untersuchung (asta-vidha). Diese beinhaltet: 1. Puls (nadi), 2. Urin (mutra), 3. Stuhl (mala), 4. Zunge (jihva), 5. Abhören (sabda), 6. Tasten (sparsa), 7. Augen (netra), 8. Antlitzdiagnose (akrti)

Konstitution

Die ayurvedische Konstitution (prakriti) stellt die geerbten körperlichen (deha- prakriti) und geistigen (manasa-prakriti) Eigenschaften eines Menschen dar. Diese sollten vom Therapeuten bestimmt werden um zu wissen, für welche Krankheiten der Patient anfällig sein kann. Die Prakriti basiert auf den Grundlagen der drei Doshas (vata, pitta, kapha) und ist bei jedem Menschen anders ausgeprägt. Darum kann auch keine standardisierte Diagnose oder Therapie erstellt werden, denn jeder Mensch ist ein Individuum.

Die Vikriti bezieht sich darauf, wie eine Person von der ursprünglichen Konstitution (prakriti) im Anteil der drei Doshas abgewichen ist. Dies kann durch die genaue Beobachtung der Dhatus, Upadhatus, Malas, Funktion, Struktur, Intellekt und Emotionen des Einzelnen beurteilt werden (genaue Anamnese). (1)

Die 6 Stadien der Krankheitsentwicklung


Im Ayurveda werden die Krankheitsstadien Kriya-kala genannt. Das Wort Kriya bedeutet Aktion und Kala ist die Zeit. (2) Gemeint ist damit, dass eine Krankheit immer erst mit einem leichten Vorzeichen beginnt und sich dann von Zeit zu Zeit mehr verschlimmert. Wenn der Patient oder der Therapeut diese Zeichen schon früh deuten kann eine gute Chance auf eine Heilung. Hier lautet das Motto: Umso früher umso besser! 
Die sechs Stadien der Dosha Vermehrung und Ausbreitung lassen sich wie folgt einteilen: 


1. Akkumulation (samcaya): erst leichte Symptome, gut heilbar

2. Provokation (prokopa): stärkere Symptome, gut heilbar

3. Ausbreitung(prasara): generalisierteSymptome,heilbar

4. Lokalisation (sthana-samsraya): leichte strukturelle Beeinträchtigung. Ab hier 
beginnt die Krankheit, heilbar

5. Manifestation (vyakti): starke strukturelle Beeinträchtigung. Heilbar mit einer 
intensiven Therapie.

6. Chronifizierung (bheda): Es bleiben irreversible Schäden.

Diagnose

„Das detaillierte Wissen zu einer Erkrankung (roga-vijnana) erschliesst sich im Ayurveda über die genaue Untersuchung von fünf Aspekten, anhand derer die Therapiestrategie festgelegt wird.“(3)

Die 5 Diagnose Wege

  1. Primäre Ursache (nidana). „Die Ursache von Erkrankungen ist aus ayurvedischer Sicht vorrangig in der falschen Ernährung und im falschen Verhalten zu suchen“. (4)

  2. Vorsymptome (purva-rupa). Darunter versteht man vor allem die Zeichen der Krankheitsstadien (kriyakala) siehe Punkt. 1.3

  3. Symptome (rupa). Die Phase der Manifestation, welche in der Kriyakala bei Punkt 5 beginnt. Diese Symptome sich entweder schon sichtbar oder der Patient wird diese schildern können. Ab hier besteht auch schon eine Srota- Disfunktion (sroto-vaigunya).

  4. Therapeutische Hinweise (upasaya). Wenn eine Krankheit nicht genau diagnostiziert werden kann, wird eine Therapie ausprobiert über eine Zeit und es wird dann geschaut, ob sich die Symptome verbessern oder verschlimmern.

  5. Äthiopathogenese (samprapti). Krankheitsverlauf und Krankheitsentstehung der ebenfalls noch in 5 Teilbereiche klassifiziert werden kann (Anzahl, Dominanz der Doshas, Unterarten, Detailanalyse, Zeitfaktor).

Zungen- und Pulsdiagnose

In der Traditionellen Chinesischen Medizin wird die Zunge in einem energetischen Zusammenhang mit den Organen betrachtet(5). Anders im Ayurveda. Da wird vor allem auf Ablagerungen und Beläge geachtet die auf Ama oder die Verdauung hinweisen können.

Auch der Puls gibt Rückschlüsse über die Dosha-Zustände. Jedoch bedarf es einer jahrelangen Übung um wirkliche Diagnosen anhand des Pulses stellen zu können

Agni und Koshtha

Den Zustand des Agnis zu erfahren ist ein wichtiger Teil um die Dosierung eines Medikamentes festlegen zu können. Agni lässt sich aus der Untersuchung von Dingen wie Appetit, Verdauungsfähigkeit, Energieniveau, Zahl der Mahlzeiten pro Tag und den Ausscheidungsgewohnheiten ermitteln. (6)

„Der Ayrveda sagt, man sollte den Koshtha (Stuhlgewohnheit) eines Patienten kennen, damit man die Dosis der Abführmittel und Einläufe ermitteln kann“. (7)

Ama

Wenn unsere Nahrung falsch verdaut wird (z.B. das Agni zu schwach ist), entstehen dadurch Stoffwechselabfallstoffe die Ama genannt werden und die die Srotas blockieren, was wiederum zu einer Akkumulation (kriyakala 1) führt. Ama kann anhand folgender Symptome diagnostiziert werden: Zungenbelag, klebriger Auswurf, schlechte Körpergerüche, Steifigkeit, Schweregefühle, Trägheit, Müdigkeit, Appetitlosigkeit etc.

Dhatus

Anhand des Zustandes unserer Gewebe (sara, exzellentes Gewebe) können ebenfalls Rückschlüsse gezogen werden welches Dhatus betroffen ist von der Vermehrung und Ausbreitung der Doshas. Denn ein guter Zustand der Dhatus lässt sich zum Beispiel daran feststellen, dass eine Person eine glänzende, weiche, glatte, reine Haut hat mit einer schönen Ausstrahlung. Dies zeigt uns, dass das Rasa-Dhatu in einem exzellentem Zustand ist. (8)

Die modernen Untersuchungsmethoden

Der Hausarzt wird normalerweise aufgesucht, wenn ein bestimmtes Symptom beim Patienten vorhanden ist. Der Arzt wird dann ein ausführliches Gespräch (Anamnese) führen, bei dem er Fragen zur Art, Dauer und eventuellen anderen Symptomen stellt. Danach folgt eine körperliche Untersuchung, meist dort wo das Symptom vorhanden ist, wie zum Beispiel das Abhören der Lunge oder des Bauchraumes.

Um weitere Erkrankungen ausschliessen zu können werden unter anderem auch folgende Untersuchungsmethoden angewendet: (9)

  • Ultraschall

  • Rönten

  • CT (Computertomografie)

  • Labor (Blutuntersuchungen)

  • MRT (Magnetresonanztomographie)

  • Etc.

Die modernen Untersuchungsmethoden beinhalten vor allem die Apparative Diagnostik.


Wie bewerte ich die Unterschiede zwischen ayurvedischen und modernen Untersuchungs- bzw. Diagnosemethoden?

Die klassische Medizin legt ihren Diagnose- und Untersuchungsschwerpunkt auf den Bereich der Symptomuntersuchung und der Apparitven Diagnose. Dies hat den Vorteil, dass die modernen apparativen Verfahren sehr genau jedes anatomische Detail unseres Körpers wiedergeben können zum Zeitpunkt der Untersuchung. Jedoch wird jeweils nur der Bereich untersucht, welcher zum jeweiligen Symptom passt. Der Rest des Körpers oder auch die Psyche und das Umfeld des Patienten wird oft vernachläsigt.

Der Ayurveda legt den Fokus auf das Erfassen des gesamten Gesundheitszustandes des Patienten. Es wird nicht nur das vorhandene Symptom untersucht, sondern egal was für ein Symptom vorherrscht wird trotzdem eine Analyse/Anamnese aller Funktionen des Körpers vorgenommen. Denn wichtig ist, die genaue Ursache der Vikriti heraus zu finden.

In dieser Abhandlung konnten nicht alle Details der ayurvedischen Diagnose veranschaulicht werden, da diese wirklich sehr umfassend und ganzheitlich ist und somit den Rahmen dieser Abhandlung sprengen würde. Dennoch ist es ein kleiner Ausschnitt wie umfassend die ayurvedische Untersuchungsmethode doch ist im Gegensatz zur klassischen Medizin.

 

Literaturverzeichnis
Gupta/Stapelfeld, Praxis-Ayurveda Medizin, 2009
Skript Ayurveda-Medizin, Diagnose

Vasant Lad, Lehrbuch Ayurveda, Band 2, 2014
www.ayurveda.md/index
www.healthepic.com/ayurveda/diagnosis/kriyakala.htm
www.punktsicher.de/zungendiagnose-in-der-tcm

 

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