Stellenwert der Manualtherapie im Ayurveda

Welchen Stellenwert hat die Manualtherapie im Gesamttherapiesystem des Ayurveda?

Was gibt es für ein Kind schöneres als die Berührung der eigenen Mutter. Wenn es weint, reicht es manchmal schon aus, das Kind in die Arme zu schliessen und zu streicheln und die Welt ist wieder in Ordnung.
Geht es uns nicht allen auch heute noch so? Sehnen wir uns nicht nach Zuwendung und „Streicheleinheiten“, nach dem Gefühl der Geborgenheit?

Manch einer Funktionsstörung des Körpers liegt einfach ein Mangel an Zuwendung zugrunde.
Die Verfasserin dieser Arbeit ist selbst seit 15 Jahren Massagetherapeutin. Sie hat schon oft erlebt, dass anstatt von Medikamenten und teuren Therapiemethoden die Berührung eines Menschen mit dem Herzen durch die Hände manchmal schon alles ist, was benötigt wird, um die Selbstheilungskräfte wieder aktivieren zu können.

Die Massage in der Therapie

Die Massage ist eine der ältesten Therapiemethoden überhaupt. In jeder Kultur findet man Überlieferungen von Massagetechniken aus früheren Zeiten. Auch wurde die Fähigkeit zu Massieren jedem Menschen in die Wiege gelegt, denn wer hat sich noch nie eine schmerzende Stelle am Körper gerieben oder sich genüsslich mit Öl oder Bodylotion den eigenen Körper verwöhnt? Dass ist alles schon Massage.

Die Massage hat sich im Laufe der Evolution in allen Kulturen so weiterentwickelt, dass sie als medizinische Therapie nicht mehr weg zu denken ist. Sei es in China mit der Tui-Na Massage, in Hawaii die Lomi-Lomi und Mana-Lomi Massage, in Thailand die Thai-Massage, in Europa die Schwedische Massage oder in Indien die Ayurveda Massagen.

Vor allem im Ayurveda ist die Massage ein wichtiger Teil des holistischen Ansatzes (1) der Behandlung eines jeden Patienten. Denn „Massagen und manualtherapeutische Anwendungen gehören zu den Grundpfeilern der Ayurveda-Therapie. Sie übernehmen sowohl in der Behandlung von Erkrankungen als auch in der Gesundheitsfürsorge eine zentrale Funktion. In unserem Kulturkreis gelten sie als Aushängeschild des Ayurveda.“ (2)

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Die ayurvedische Manualtherapie

Schon vor vielen tausend Jahren wurde vor allem im südlichen Teil Indiens die Massage zu therapeutischen Zwecken eingesetzt. Medizinmänner hatten die Lymphsysteme mittels Massagen angekurbelt. Die Kalari-Kämpfer wurden mit Massagen auf die Kämpfe vorbereitet, indem mit schnellen Griffen die Muskeln aktiviert und gedehnt wurden. Das viele Öl half den gesamten Bewegungsapparat geschmeidig und beweglich zu machen. Aber auch verletzte Kämpfer wurden mit den medizinierten Ölen behandelt und massiert. Die Massage war schon immer ein Bestandteil der Kämpfer und auch in der Therapie der Medizinmänner.

Die Haut als Kommunikationsorgan

Die Haut ist unser grösstes Organ und kann während einer Massage direkt behandelt werden. Sie wird in der ayurvedischen Anatomie „tvak“ genannt und ist ein Upadhatu von Mamsa (Muskelgewebe). Über die Haut und deren Rezeptoren können wir verschiedenste Umwelteindrücke und Reize aufnehmen, verarbeiten und weiterleiten. Diese Rezeptoren sind empfindlich auf Druck, Wärme, Schmerz, Kälte und Berührungen. Auch energetische Schwingungen können via Haut empfangen werden. Während aller manuellen Therapien wird direkt über dieses Organ mit dem Patienten kommuniziert.

Funktion von Prana, Nadis und Marmas

Prana ist keine materielle Substanz, die isoliert identifiziert werden könnte. Sie ist aber eine Energie innerhalb des feinstofflichen Körpers, die auch den physischen Körper aktiviert. Durch den Akt der Atmung tritt das Prana durch subtile Kanäle oder Nadis genannt, in den Körper, um alle Gewebe zu beleben. In dieser Hinsicht ist das Prana das Lebensprinzip des Körpers, das uns durch die Nadis mit Energie versorgt. Die Nadis stehen in engem Zusammenhang mit den Aktivitäten der parasympathischen und sympathischen Abteilungen des vegetativen Nervensystems (3). Durch die Massagen wird der Parasympathikus angeregt und die Atmung wird tiefer und (4) gleichmässiger. Das Prana kann somit besser in die Nadis einströmen. Auch hat die Massage eine reinigende Funktion, nicht nur auf die Haut sondern auch auf die Nadis, welche oft durch Verspannungen, Ablagerungen etc. blockiert sind. In der Kalarimassage in Südindien wird vor allem mit den Marmapunkten gearbeitet, welche sich auf den Nadis befinden. Die Kenntnis über die Marmapunkte ist aber für alle Ayurveda-Therapeuten bei der Massage wichtig, denn folgende Bereiche können positiv beeinflusst und harmonisiert werden: die Doshas und Subdoshas, die Shrotas und die Chakren. (5)

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Manualtherapie in den klassischen Schriften

In den klassischen Schriften gibt es nur sehr wenige Stellen, in denen die Manualtherapie erwähnt wird. Es wird aber klar getrennt zwischen Ayurveda-Arzt und Manualtherapeut, genauso wie auch in der klassischen Medizin. Der Manualtherapeut ist so zu sagen der Handwerker. Das heisst nicht, dass diesem weniger Bedeutung zugesprochen wird, sondern eher, dass der Handwerker nicht als Gegenstand ihrer ayurvedischen Wissenschaft angesehen wird.(6)

Manualtherapie und Panca-karma

„Gemäss der klassischen Systematik zur Einteilung der Heilverfahren (CS Su. 11.55) werden im Ayurveda manualtherapeutische Anwendungen dem ausleitenden Therapieansatz (sodhana) zugeordnet. Neben den chirurgischen Verfahren (salya- tantra) fallen die Massnahmen zur inneren Reinigung (Panca-karma) ebenfalls in diesen Sektor.“ (7)

Jedoch gilt die Manualtherapie als wichtiges Standbein zur Vorbereitung der Ausleitungsphase im Panca-karma. Denn durch die Einölung der Haut und des Gewebes werden die Srotas geöffnet, pathologische Faktoren gelöst und können dann via Gastrointestinaltrakt und inneren Ausleitungsverfahren aus dem Körper transportiert werden.

Massage als Alltagstherapie

Ölmassagen sind im Ayurveda und auch in Südasien ein sehr wichtiger Teil der Tagesroutine, sowie das frühe Schlafen gehen, eine ausgewogene Ernährung, Yoga und Meditation. Die tägliche Abhyanga kräftigt nicht nur den gesamten Bewegungsapparat sondern reinigt auch die Haut und die Gewebe, da ein geeignetes Öl Stoffwechselabbauprodukte in den Zellen lockert, so dass Ablagerungen in der Haut, den Nieren und dem Darm leichter ausgeschieden werden können. Nach jeder Massage werden Stoffwechselrückstände vom Körper entfernt. (8)

Nicht nur für die trockene Vata-Haut ist die tägliche Einölung eine Wohltat. Alle Dosha-Typen profitieren mit dem richtigen Öl von den Massagen. Denn es verbessert auch die Schlafqualität und das Gefühl für seinen eigenen Körper.

Medizinierte Öle in der Manualtherapie

In der ayurvedischen Manualtherapie werden medizinierte Öle verwendet, die in einem aufwändigen Verfahren über Stunden, manchmal Tage mit den verschiedensten Heilkräutern verkocht werden. Sie sind eigentlich der wichtigste Bestandteil der Manualtherapie, da die Kräuter direkt tief in die Gewebsschichten vordringen können und dort in den Zellen ihre Wirkung entfalten. Meistens wird als Basis das Sesamöl verwendet, „da dies eine besondere Eigenschaft besitzt die yoga- vahi genannt wird. Denn das Sesamöl befördert die Wirkung der Heilsubstanzen, die in das Öl eingekocht werden, unverändert in die Gewebe und gibt dabei seine eigenen Eigenschaften auf.“ (9)

In der Patientenanamnese (10) wird jeweils ermittelt, welches medizinierte Öl zur Therapie verwendet wird. Die Öle sind auf die Doshas abgestimmt und haben zusätzlich noch differenzierte Wirkungskreise (z.B. speziell für den Kopf, entzündungshemmend, durchblutungsfördernd etc.). So kann jeder Patient sehr individuell und auf seine Konstitution abgestimmt behandelt werden.


Stellenwert der Manualtherapie im Gesamttherapiesystem des Ayurveda

Die Manualtherapie besitzt im Gesamttherapiesystem des Ayurveda doch einen hohen Stellenwert. Sie wird zwar in den klassischen Schriften nicht oft erwähnt, da es sich wie schon geschrieben um ein Handwerk handelt und nicht um eine Wissenschaft wie die des Dravyaguna.

Die Manualtherapie ist ein wichtiger Grundpfeiler von „ausadha“ den therapeutischen Massnahmen. Denn in der rationalen Therapie ist der zweite Punkt die Reinigung (nebst Ursachen vermeiden und besänftigen) und die Massagen sind ein wichtiger Teil in der Vorbereitungsphase der Reinigung (panca-karma).

Auch wird ein Grossteil der Erkrankungen einem erhöhten Vata zugeordnet und Vata Problematiken haben oft Trockenheit und psychische Störungen (Stress, Depressionen etc.) zur Folge. Die Massagen mit abgestimmten Vata-Ölen eignen sich da perfekt zur Behandlung, da nicht nur die Heilkräuter ins Gewebe gebracht werden sondern auch die besänftigende Wirkung der Berührung über die Haut sehr Vata senkend ist.

Leider wird in Europa die Manualtherapie des Ayurveda noch immer als Wellnessbehandlung vermarktet. Jedoch bedarf es einem tiefen ayurvedischen Verständnis die Behandlungen und Öle auf die Bedürfnisse des Patienten ab zu stimmen. Denn im Mittelpunkt der Manualtherapie steht immer der medizinische Aspekt und nicht der Wellnessfaktor.

Die Ayurvedamedizin ist eine ganzheitliche Medizin. Es wird alles an Therapiemöglichkeiten mit einbezogen und ohne die Manualtherapie wäre es keine ganzheitliche Medizin mehr.

 

Literaturverzeichnis
Srikanta Sena, Ayurveda Materia Medica, 2007
V. Lad+D.Frawley, die Ayurveda Pflanzenheilkunde, 2013
V. Lad, Lehrbuch des Ayurveda, Band I, 2012
H.H.Rhyner, Das neue Ayurveda Praxis Handbuch, 2011
H.H.Rhyner+B.Frohn, Heilpflanzen im Ayurveda, 2006
Rosenberg gGmbH, Skrip „Grundlagen des Ayurveda“, 2012
Gupta, Stapelfeld, Rosenberg, Ayurveda Manualthe.+Ausleitungsverfahren, 2006
www.spektrum.de/lexikon/geowissenschaften/holistischer-ansatz
www.augustayurveda.com/showarticles.asp?id=128
www.konspa.wordpress.com/tag/sympathikus
www.seva-ayurveda.de/service/bibliothek/ayurveda-heilsystem-indiens/marma- punkte/
www.amla.de/abhyanga-oelmassagen-selbst-gemacht
flexikon.doccheck.com/de/Anamnese
Pdf Präsentation von Dr. L. Kronpass, 2014

 

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